KRITISCHE BETRACHTUNG VON SECOND HAND KLEIDUNG

Was Recycling beim Müll ist, ist Second Hand bei der Kleidung. Beides geht am eigentlichen Lösungsansatz vorbei, nämlich keinen Abfall mehr zu produzieren bzw. die Kleidung umweltverträglich, fair und gesund herzustellen – in einem angemessenen Maßstab.

Second Hand zählt immer noch auf den Überkonsum in unserer Gesellschaft. Dabei stellt es sicher eine gute Zwischenlösung dar, ist aber nicht das Allheilmittel, als das es zur Zeit gerne angesehen wird. Denn obwohl Second Hand momentan “hip“ und “in“ ist und durchaus zurecht praktiziert wird, konnte ich nicht erkennen, dass dadurch der eigentliche Konsum neuer Produkte wesentlich reduziert wurde. Ich würde sogar behaupten, dass es den ein oder anderen eher dazu motiviert unüberlegt einzukaufen, wenn unsere Kleidungsstücke so schnell und einfach und mit einem vermeintlich guten Zweck entsorgt werden können.

In einer kaskadenähnlichen Struktur werden unsere alten Klamotten an andere, oft sozial schwächer gestellte Mitmenschen weitergegeben, die nicht so wählerisch sein können wie wir. Dabei muss ich zugeben, dass auch ich gerne in Second Hand Läden stöbere, auf der Suche nach einem Schnäppchen und vor allem als Alternative zu neu produzierten und damit Ressourcen verbrauchenden Produkten.

Da ich mich für meinen minimalistischen Kleiderschrank nur auf die Suche mache, wenn ich ein bestimmtes Kleidungsstück wirklich benötige, wird mein Second Hand Kauf nicht nur zur Geduldsprobe, sondern stellt auch meinen Anspruch an die Kleidung in Frage. Nicht alle Kleidungsstücke die ich besitze sind makellos. Manche habe ich schon einmal genäht, andere Stücke sind ein bisschen abgetragen oder haben vielleicht einen kleinen Fleck an einer nicht sichtbaren Stelle. Aber die neuen gebrauchten Klamotten sollten so beim Kauf bitteschön nicht aussehen! Schließlich will ich sie noch lange tragen können und gebe mich nicht mit vermeintlich minderwertiger Ware zufrieden.

Doch auch fabrikneue Kleidung aus Fehl- oder Überproduktionen landet manchmal in Second Hand Läden. Meist haben sie einen Haken, wie zum Beispiel eine extravagante Passform oder kleine Materialfehler, die sie für unsere Kaufansprüche unbrauchbar machen. Im Endeffekt sollen uns Kleidungsstücke zwar hauptsächlich schützen und warm halten, aber auch das Aussehen – das Widerspiegeln unseres Charakters und unserer Kultur- bzw. Gruppenzugehörigkeit – sind wichtige Faktoren, die weder vernachlässigt noch verurteilt werden dürfen.

Was ist besser – Second Hand oder nachhaltig produzierte neue Kleidung?

In der jetzigen Situation, bei der wir alle sowieso schon mehr als genug besitzen, tendiere ich eher dazu, diese Frage zu Gunsten des Second Hand zu beantworten. Denn jedes Produkt auf dem Markt, das es schon gibt, nimmt natürlich keine neuen Ressourcen mehr in Anspruch. Auch die Chemikalien sind größtenteils ausgewaschen, was Second Hand Kleidung oft sauberer und gesünder macht als neue.

Ohne den verschwenderischen, kontinuierlichen Nachschub von nicht mehr benötigter aber noch brauchbarer Kleidung, funktioniert Second Hand allerdings nicht auf Dauer. An diesem Punkt wäre es also besser in langlebige und nachhaltige Kleidungsstücke zu investieren, die wirklich gut produziert wurden: Mit fair bezahlten Löhnen unter fairen Bedingungen, hergestellt aus umweltverträglichem Material, das so ressourcenschonend und lokal wie möglich und ohne chemische Zusätze und Düngemittel angebaut wird, das vollständig biologisch zersetzbar und sicher für unsere Gesundheit ist. So ein Kleidungsstück zu finden gestaltet sich heutzutage leider noch als Herausforderung. Dennoch setzen wir mit der best möglichen Wahl immer ein Zeichen für die Wirtschaft qualitativ hochwertige, sozial verantwortliche und gesunde Ware herzustellen.

second hand jaeckchen und neuer bambus sportrock

Meine zuletzt gekauften Kleidungsstücke: Ein Second Hand Jäckchen und ein neuer Sport Hosenrock aus Biobaumwolle und Bambusviskose

Der nächste Kleiderkauf

Wenn du ein Kleidungsstück benötigst, ist es momentan also sinnvoll, dass du dich beim Einkauf zuerst nach Second Hand Optionen umsiehst und dabei ein wenig Geduld beweist. Findest du nach längerer Suche immer noch nicht das Passende, solltest du nach neuen aber möglichst langlebigen und nachhaltig produzierten Kleidungsstücken Ausschau halten.

Auf diese Weise wird der riesige verschwenderische Berg an Kleidung auf dem Markt Stück für Stück reduziert und der Schwerpunkt bei der Neuproduktion zu Gunsten der Nachhaltigkeit verschoben.

Auch wenn ich persönlich sehr selten online einkaufe, kann es die beste Wahl sein, wenn ihr sonst keine Second Hand Optionen oder nachhaltige Modeläden in der Nähe habt oder partout nichts finden könnt. Daher noch ein extra Tipp für online Käufer: Fragt bei den nachhaltigen Onlineshops unbedingt nach, wenn ihr eure Größe nicht auf der Webseite findet. Britta von Mr. und Mrs. Green hat mir beispielsweise erklärt, dass sie oft nur die gängigsten Größen online anzeigen und auf Lager haben, bei Bedarf ihren Lieferanten aber gerne Bescheid geben und somit auch andere Größen versenden können, wenn sie zur Verfügung stehen.

Zwar ist der Kleiderkauf auf diese Weise aufwändiger als wir es bisher in unserer schnellen Konsumgesellschaft gewohnt sind, aber sind wir mal ganz ehrlich: Wie oft brauchen wir schon unbedingt und sofort ein Kleidungsstück? Wozu also die Eile und all die Kompromisse zu Lasten von Umwelt, Mensch und Gesundheit?
Zudem endest du so garantiert mit einem Lieblingsstück in deiner Garderobe, das dir gefällt, richtig gut passt, das du wertschätzt und lange mit Freude und gutem Gewissen tragen kannst. 

Woher stammen die Lieblingsstücke in deinem Kleiderschrank?