Besuch beim Gemueseanbaubetrieb Meier

BIO VS KONVENTIONELL – VON REIFEM OBST UND EHRLICHEM GEMÜSE

Frisches Obst und Gemüse braucht kurze Wege – und Fingerspitzengefühl. Daher schmecken Erdbeeren, Tomaten und Co aus dem eigenen Garten immer am besten. Leider haben nur die allerwenigsten von uns die Möglichkeit sich gänzlich aus dem eigenen Garten zu versorgen.

Das Gemüse, Obst und die Kräuter aus unserem 1,20mx80cm großen Urban Gardening Hochbeet reicht gerade mal zum Naschen. Trotzdem ist es toll zu sehen wie alles wächst und gedeiht, mit reiner, eigener Komposterde und ohne jegliche Spritzmittel. Oder fast, denn gegen den Läusebefall unseres Salbeis habe ich Kartoffelwasser mit einer Messerspitze Backsoda gesprüht, was sich als überraschend wirkungsvoll erwiesen hat. Warum funktioniert das in der Landwirtschaft nicht so?

Wahrscheinlich bin ich zu naiv in meiner Vorstellung, wie Landwirtschaft funktionieren sollte. Denn selbst Bio ist nicht gleich Bio und auch nicht immer spritzmittelfrei. Noch wichtiger als ein Zertifizierungssiegel ist für mich Ehrlichkeit, Stolz und Leidenschaft der Menschen, die Obst und Gemüse anbauen. Natürlichkeit aus Überzeugung! Dies machte mir ein Besuch bei der Meier GbR im Knoblauchsland in Nürnberg wieder einmal deutlich. Hunderte verschiedener Kräuter und Gemüsesorten wachsen auf zehn Hektar Land. Der Familienbetrieb setzt dabei auf kontrolliert integrierten Anbau. Was für mich  zunächst wie eine Worthülse klang, macht durchaus Sinn. Hier wird nicht auf ein striktes Einhalten von Biorichtlinien geachtet, sondern ehrlich konventionell angebaut.

Kontrolliert Integrierte Landwirtschaft

Das bedeutet mit Rücksichtnahme auf die Natur zu arbeiten und chemische Mittel nur im äußersten Notfall einzusetzen. Eine optimale Standortwahl, richtige Fruchtfolge, widerstandsfähige Pflanzen und Saatgut und ein gesunder Boden, der nicht überdüngt wird, sind wichtige Grundvoraussetzungen. Auch natürliche Schädlingsbekämpfungsmittel wie Schlupfwespen oder Marienkäferlarven kommen zum Einsatz. Bodenanalysen bestimmen, welche Menge an Dünger verwendet wird. Die Devise: Es gibt kein schwarz-weiß Denken sondern nur wirkungsvolle Maßnahmen, wo diese nötig sind. Am Ende lässt sich auch nicht pauschal sagen, dass der Pilzbefall auf Biopflanzen nicht mindestens genauso schädlich für uns Menschen ist, wie chemische Spritzmittelrückstände, die bestimmte Grenzwerte einhalten müssen.

Bei Familie Meier wird Unkraut mechanisch gejätet, geerntet wird per Hand und die Tröpfchenbewässerung entspricht modernster, wassersparender Technik. Folien kommen zum Einsatz, damit die Pflanzen warme Füße haben und um den Wasserverbrauch zu reduzieren. Zudem werden viele Arbeiten nach dem Mond ausgeführt. Wenn man bedenkt welch große Auswirkung der Mond auf den Wasserhaushalt der Erde hat – man beachte nur mal Ebbe und Flut – ist es durchaus nicht von der Hand zu weisen, dass auch Pflanzen, sowie Tiere und Menschen, sensibel auf den Mond reagieren.

Brauchen wir lokale Artischocken?

Familie Meier baut viele Pflanzen an, die in unseren Breitengraden kaum wachsen. Sie möchte ihren Kunden ermöglichen auch Dinge wie Artischocken, Melonen, Auberginen, Physalis, Süßkartoffeln und Co regional bekommen zu können. Auch zwei Gewächshäuser gibt es, die nach Bedarf beheizt werden um vor allem nachts die Temperaturschwankung auszugleichen und im Winter frostfrei zu bleiben. So manches, was als Spinnerei begann, ist heute fester Bestandteil des Sortiments.

Doch braucht’s das? Dieser Frage stellt sich die Familie durchaus kritisch. Wie in meinem Fastenzeitexperiment Anfang des Jahres, bei dem ich mich ausschließlich bio, vegan und regional ernährte, kann diese Frage nur jeder für sich selbst beantworten. Wir müssen unsere Verantwortung selbst übernehmen.

Selbst Familie Meier hat im Winter wenig Auswahl. Manches wie Spitzkohl, Zuckerhut oder Chinakohl kann zwar in den drei unterschiedlich temperierten Kühlhäusern, davon eins ohne elektrische Kühlung, länger gelagert und einige Ernteüberschüsse wie Tomaten werden fleißig eingemacht, dennoch entscheiden sich die meisten Kunden während dieser Zeit dafür von Großhändlern zuzukaufen.

Nürnberger Artischocken auf dem Feld

Regionale Produkte haben kurze Wege

Nur weil Familie Meier ihre Produkte im Direktvertrieb an Restaurants, im Hofladen und auf Märkten verkauft, können sie so produzieren wie sie produzieren. Der Erntezeitpunkt kann genau abgepasst werden und Kräuter und Gemüse müssen nicht so widerstandsfähig sein um mehrere Tage im Supermarkt liegen zu können.

Die Frage ist nun vor allem, wo kaufen wir ein? Wer sich über Supermarktobst und –gemüse mit fehlendem Geschmack, weiter Herkunft und Plastikfolienverpackung ärgert, ist letztendlich doch ein wenig selbst Schuld. Schließlich gibt es genug Möglichkeiten über Wochenmärkte, Hof- oder Bioläden und Abokisten an echt gute Lebensmittel zu kommen, auch ohne großen zeitlichen und finanziellen Aufwand.

Warum geht’s nicht wie im eigenen Garten?

Abgesehen davon, dass viele Leute leider auch in ihrem eigenen Garten chemisch spritzen und düngen, hätten die Tomaten bei Familie Meier ohne chemische Behandlung dieses Jahr keine Chance gehabt. Das Wetter war einfach zu feucht. Da der Zeitpunkt des Spritzens jedoch sehr früh war, ist der Abbau des Spritzmittels wenig problematisch. Wenn der Erntezeitpunkt schon naht, kann nämlich nur noch das minimale Zeitfenster zwischen Spritzen und Ernte eingehalten werden.

Im Gegensatz zu unserem Hobbyhochbeet muss sich die Ernte bei Familie Meier im Verhältnis zum Aufwand finanziell lohnen. Zudem verbreiten sich Schädlinge, Pilze und Pflanzenkrankheiten in einem Gemüseanbaugebiet natürlich mehr als in der Stadt, gerade wenn die Bauern  in der Umgebung nicht so sensibel mit ihren Pflanzen umgehen und durch reichliches Spritzen und Düngen die Schädlinge auf die Nachbarfelder treiben.

Ein gutes Wissen über natürliche und chemische Stoffe ist daher in der professionellen Landwirtschaft besonders wichtig und wünschenswert, genauso wie das richtige Netzwerk um von vertrauenswürdigen Lieferanten Saatgut zu beziehen. Und auch das ist ein weiterer Punkt, bei dem ich als Hobbygärtner aussteigen muss. Da gibt es samenfeste Sorten, F1-Hybridsaatgut, samenlose Pflanzen, CMS Saatgut, gezüchtete Kreuzungen und genmanipulierte Sorten, sowie Gensorten, die nicht als solche gelten weil sie auch durch Züchtung hätten erreicht werden können. Manches davon ist für den Bioanbau geeignet, anderes nicht.

Ist bio nicht auch am anderen Ende der Welt unterstützenswert?

Bananen, Kokosnüsse, Avocados und Co wachsen nun mal nicht bei uns in Deutschland. Wer nicht bereit ist darauf zu verzichten, sollte daher nicht nur auf Biosiegel achten, sondern auch auf eine faire Herstellung. Natürlich ist es besser solche Produkte zertifiziert zu kaufen, denn es ist schwer bei dieser Distanz Infos anders als durch Siegel zu bekommen. Ein gutes Gewissen brauchen wir uns deshalb aber nicht einzureden, denn die Belastung für die Umwelt durch den Transport ist enorm hoch und vermeidbar.

Seit dieser Erkenntnis habe ich meinen Konsum an Produkten solch weiter Herkunft sehr reduziert und dabei festgestellt, dass ich sie kaum vermisse. Auch achte ich besonders darauf, Bioavocados zum Beispiel dann zu kaufen, wenn es sie aus Spanien oder Italien gibt und sie liegen zu lassen, wenn sie aus Mexiko  oder Kalifornien kommen. Zudem habe ich festgestellt, dass ich beispielsweise Bananen gar nicht so sehr mag. Ich habe sie eher aus Gewohnheit gegessen und nun für mich leckerere und abwechslungsreichere Alternativen entdeckt.

Feuerbohnen wachsen mit Troepfchenbewesserung und Plastikfolie für warme Fuesse

Warum nur Biowein gesund ist

Manchmal ist bio nicht nur gesünder weil es (hoffentlich) weniger Spritzmittelrückstände enthält. Bei unserer letzten Weintour – damals haben wir noch in Amerika gewohnt – ist mir eine Aussage besonders im Gedächtnis geblieben: „Nur Biorotwein ist gesund!“ Es gibt eine spezielle Pilzart, die rote Trauben befällt, die sich dann mit einer biochemischen Substanz als Abwehrstoff gegen den Pilz wehren. Genau dieser Abwehrstoff ist es, der für uns Menschen so gesund ist. Werden die Trauben allerdings mit Spritzmittel behandelt, befällt sie der Pilz überhaupt nicht, weshalb sie diese gesunde Substanz nicht entwickeln können. Oft wird der Gesundheitsaspekt eines Glas Weins aber auch mit der entspannenden Wirkung des Alkohols begründet. Stattdessen könnte natürlich jede andere Form der Entspannung gewählt werden, wie ein kurzer Spaziergang. Und noch ein Tipp: Wer einfach eine Handvoll roter Biotrauben isst bekommt die Vitamine und den gesunden Abwehrstoff in voller Kraft – ohne Alkohol und Sulfite.

Dezentraler Anbau und Wertschätzung

Sinnvoll wäre es wenn wir Obst und Gemüse wieder selbst und im kleinen Stil anbauen. Wenn jeder, der einen Garten hat, erstmal seine Rasenfläche dazu umnutzen würde, sich ein Stück weit selbst zu versorgen, anstatt seinen Rasen mit viel Wasser und Dünger „in Schuss“ zu halten. Zudem müssen wir lernen unsere Nahrungsmittel wirklich wert zu schätzen um bereit zu sein angemessene Preise zu zahlen, Geschmack und Ungiftigkeit über Aussehen zu stellen und dem Wegwerfwahn ein Ende zu setzen.

Bio erleben

In der BioMatropole Nürnberg könnt ihr euch ab Donnerstag selbst davon überzeugen, wie lecker bio und regional schmeckt. Dem 10-jährigen Jubiläum der Bio erleben am Wochenende des 15.-17. Juli auf dem Nürnberger Hauptmarkt, geht eine Schlemmerwoche der besonderen Art voraus: Vom 8. Juli bis zum 14. Juli bieten ausgewählte Bio-Restaurants in der Region verschiedene Menüs zum Ausprobieren an, teilweise nicht nur bio und regional, sondern auch vegan, fair, für Allergiker geeignet, barrierefrei und kinderfreundlich. Einfach Tisch reservieren und genießen, ich freu mich drauf!

Wie wichtig sind dir ehrliche Lebensmittel?