VON MUNDRAUB BIS URBAN GARDENING

Einige von euch sind vielleicht schon Mundräuber. Ich kenne die Webseite Mundraub.org schon länger, habe sie aber letztes Wochenende das erste Mal aktiv genutzt. Wir haben uns auf die Fahrräder geschwungen und die versprochenen Kirschbäume, am Rande eines kleinen Waldstücks inmitten der Stadt, auch gefunden. Vor denen standen wir dann allerdings recht ratlos, weil wir ohne Leiter so überhaupt nicht an die Kirschen rangekommen sind. Die Bäume waren ein bisschen eingewachsen. Und auch als wir uns durch das Gestrüpp zu den Stämmen durchkämpften, war das Klettern auf die Bäume ohne Hilfsmittel zwecklos, weil die ersten Äste weit über uns anfingen. Die reifen Kirschen hingen sowieso ganz oben.

Beim kostenlosen Kirschenpflücken via Mundraub.org

Was mich sehr wunderte war, dass keiner von den Bewohnern der Häuser und Wohnungen ringsum sich der Kirschbäume annahm. Vielleicht ist ihnen der Aufwand zu groß, sie trauen sich nicht, weil sie nicht wissen ob man die Kirschen einfach pflücken darf oder sie registrieren die saftigen Kirschbäume vor ihrer Haustür einfach nicht.

Auf dem Heimweg sind mir die zahlreichen Kirschbäume, Johannisbeer- und Himbeersträucher und sogar Erdbeerpflanzen in den Gärten aufgefallen, an denen die reifen Früchte ebenso hängen und vergammeln. Gerne hätte ich einfach geklingelt und gefragt, ob ich etwas von den ungenutzten Schätzen pflücken darf. Oder wie wäre es mal mit einer Ernteparty unter Freunden? Auf Mundraub.org könnt ihr bald übrigens auch Aktionen rein stellen und zum gemeinsamen Ernten einladen.

Grundsätzlich finde ich das Thema “Urban Gardening“ bzw. “Stadtgärtnern“ schon lange spannend und frage mich, wie eine weniger zentralisierte Nahrungsversorgung heute im großen Stil funktionieren würde. Schließlich geben wir alle viel Geld für Nahrungsmittel aus. Würden wir statt über den Umweg der Arbeit und des Geldverdienens täglich ein wenig Zeit in den Anbau unserer eigenen Lebensmittel investieren, ließen sich diese Zwischenschritte zumindest zum Teil umgehen, lange Transportwege würden wegfallen und die Qualität unseres Obst und Gemüses wäre vermutlich besser.

Das Wenige, das auf unserem schattigen Balkon wachsen wollte, konnte durch die Erde aus unserem Wurmkomposter gut gedeihen – ganz ohne Pesti- und Herbizide und zusätzliche Düngemittel. Gleichzeitig wurden wir unsere Bioabfälle los. Es entstand ein Kreislauf aus Essen, Küchenabfällen, Komposterde und selbst angebauten Pflänzchen. Wir kamen mit dem Ernten gerade so hinterher. Natürlich mussten wir trotzdem noch einiges an Obst und Gemüse kaufen, da wir uns schlecht nur von Grünkohl, Salat und Kräutern ernähren konnten, aber immerhin.

Gemüseanbau auf dem Balkon

Leider wurde der eingespielte Kreislauf durch unseren Umzug von den USA nach Deutschland unterbrochen. Jetzt haben wir einen noch kleineren Balkon und sind gespannt, was wir darauf zum Wachsen kriegen.

Es macht natürlich Sinn, Pflanzen anzubauen, die gut mit den Klimabedingungen und Lichtangebot am Standort zurechtkommen, denn wir wollen eine gute Ernte bei geringem Pflegeaufwand und Wasserverbrauch. Entgegen der oft angeführten Rechtfertigung für Monokulturen und Gensaatgut steht inzwischen fest, dass kleine Mischbetriebe mit natürlichen Anbaumethoden einen wesentlich höheren Ertrag pro Fläche erzielen.

Wer im eigenen Garten an manchen Ecken ein wenig Unkraut stehen lässt, die Erde gesund hält, Fruchtfolgen beachtet und die richtigen Nachbarpflanzen nebeneinander setzt, hält Schädliche ganz natürlich im Zaum und bekommt gesunde Pflanzen, die von sich aus widerstandsfähig sind und viele Früchte tragen. Zugegeben, das Ganze ist schon eine Wissenschaft für sich. Wer allerdings nur ein paar Informationen sammelt und ausprobiert, welche Pflanzen bei ihm gut wachsen, kann beim Gärtnern schon einiges für seine Gesundheit, seinen Geldbeutel und seine Seele tun. Bewegung und eine Verbindung zur Natur gibt es gratis obendrauf.

Als Saatgut könnt ihr Samen/Kerne von Obst und Gemüse verwenden – vorzugsweise vom Biobauern aus eurer Region – das euch besonders gut geschmeckt hat. Wenn ihr keinen Garten oder Balkon habt, könnt ihr trotzdem Pflänzchen ziehen und sie an Freunde oder Familie verschenken. Wer würde sich denn nicht über ein selbst gezogenes Zitronenbäumchen oder Tomatenpflänzchen freuen?

Also, weg mit den vielen ungenutzten Rasenflächen und her mit den Gemüsebeeten!

Erntet ihr Obst und Gemüse aus eurem Garten / von eurem Balkon?