LEBEN IN DEN USA VS. DEUTSCHLAND

Früher wollte ich nie in Nürnberg leben. Stattdessen wollte ich etwas Neues, Aufregendes erleben und so hat es mich erstmal ans andere Ende der Welt gezogen. Das Abi in der Tasche, beschloss ich für acht Monate mit dem Rucksack durch Australien zu reisen und schon hatte mich das Reisefieber fest im Griff. Während meines Studiums folgte neben kleineren Auslandsaufenthalten ein sechsmonatiges Praktikum in Paris und nach dem Diplom ging es schließlich für knapp vier Jahre nach Amerika. Durch die zahlreichen sprachlichen, kulturellen und arbeitstechnischen Herausforderungen hat sich mein Horizont ständig erweitert. Aber es waren gerade die tollen Menschen, die ich getroffen habe, die mir das Gefühl eines Zuhauses weit weg von meiner Heimat gaben.

Je mehr ich reiste und sah, desto weniger Dinge konnten mich beeindrucken, bis ich plötzlich feststellte, wie gerne ich eigentlich zu Besuch in meiner Heimatstadt war. Abgesehen von Familie und langjährigen Freunden, hat meine Liebe für Nürnberg sicher etwas mit Gewohnheit zu tun. Früher hatte ich einfach keinen Vergleich und schenkte meiner Stadt und Umgebung wenig Beachtung.
Vielleicht hast du, wenn du aus dem Urlaub zurückgekommen bist, auch schon einmal den Komfort deines Zuhauses wieder zu schätzen gewusst, bevor du endgültig in deinen Alltag zurückgekehrt bist?

Ich bin zwar glücklich über unseren Umzug von Atlanta nach Nürnberg. Allerdings habe ich doch ein bisschen mit dem umgekehrten Kulturschock zu kämpfen und versuche, ihn als positive, lehrreiche Erfahrung zu sehen. Es fühlt sich seltsam an, die eigene Kultur plötzlich als Außenstehender zu erleben.

USA vs. Deutschland

Natur
Die natürlichen Ressourcen und die Schönheit der Landschaft in den USA ist atemberaubend. Wilde Natur gibt es (noch) an jeder Ecke. Es findet gerade ein Umdenken statt, bei dem viele Amerikaner sich ihrer natürlichen Schätze bewusst werden und diese für die Zukunft erhalten wollen. In Deutschland ist es hingegen nicht zu verachten, dass es zumindest keine giftigen und gefährlichen Tiere gibt.

Ein kleines bisschen Wildnis: Tiere vor unserem Balkon in Atlanta

Ein kleines bisschen Wildnis: Tiere vor unserem Balkon in Atlanta – Mitten in der Stadt

Umgang mit Mitmenschen
Was mir als erstes auffiel war die Direktheit der Menschen in Deutschland. Gepaart mit mangelnder Rücksichtnahme ist sie leider oft unangenehm und wohl ein Grund dafür, warum Deutsche international eher als unfreundlich gelten. Die Unfreundlichkeit stört mich vor allem dann, wenn sie überhaupt nichts mit mir persönlich zu tun hat. Andererseits weiß man immer sofort woran man ist.
Es scheint hier jeder sehr mit sich selbst und mit seinen Zielen beschäftigt zu sein, anstatt auf dem Weg dorthin mehr Wert auf seine Mitmenschen zu legen. Nicht umsonst gilt Deutschland als Servicewüste. Ausnahmen bestätigen aber bekanntlich die Regel und überraschenderweise hatte ich es gerade bei den zahlreichen Besuchen öffentlicher Behörden mit sehr freundlichen und hilfsbereiten Individuen zu tun.

Zusammenarbeit und Handhaben von Fehlern
Ich finde, wir Deutschen könnten so viel besser zusammenhelfen! Wenn etwas schief läuft – ob bei der Arbeit oder privat – wird das Problem von allen Seiten analysiert, mit dem Finger auf die Schuldigen gezeigt, sich lautstark beschwert, aber nichts passiert. In den USA geben die Menschen zu, dass jeder mal Fehler macht und so trägt auch jeder seinen Teil zu einer sofortigen Lösung zum Vorteil aller bei. Natürlich wird bei Mehrkosten herausgefunden, wer diese zu tragen hat, aber das Vermeiden von Kosten und die schnelle, gemeinschaftliche Lösung des Problems stehen im Vordergrund.
Der offene Umgang mit Fehlern in den USA führt dazu, aus den Fehlern anderer zu lernen und den eigenen Prozess zu verbessern, um sie beim nächsten Mal von vornherein auszuschließen.
Zudem werden Entscheidungen selbstbewusster getroffen und Dinge oberflächlicher gehandhabt. Dadurch geht zwar alles viel schneller voran, aber es wird auch so mancher Fehler unnötig gemacht.

Umgang mit neuen Situationen
Im Gegensatz zu Deutschen akzeptieren Amerikaner veränderte Situationen gut und passen sich schnell an. Sie erkennen neue Möglichkeiten sofort und nehmen sie wahr. Es wird mindestens so viel Wert auf Motivation und Persönlichkeit gelegt wie auf eine gute Ausbildung und Zertifikate. Amerikaner erhalten und ergreifen gerne neue Chancen – oft zum Guten, manchmal auch zum Schlechten.

Kommunikation
Das Networking und die Kommunikation in den USA ist wesentlich besser. Manchmal fehlten mir jedoch tiefgründige Gedanken und Gespräche sowie die Verlässlichkeit auf das Gesagte.
Während wir Deutsche eher zum Understatement unserer Fähigkeiten neigen und dann positiv vom Können anderer überrascht werden, neigen die Amerikaner eher zur Übertreibung. Dieser Punkt ist nicht nur bei Jobbewerbungen sehr hilfreich zu wissen.
Die positive Grundeinstellung und das gegenseitige Unterstützen und Gönnen von Erfolgen empfand ich in den USA als besonders angenehm. Wenn etwas nicht klappt, hieß es nicht „Das habe ich dir gleich gesagt.“, sondern vielmehr: „Schade, gut dass du es versucht hast. Dann eben beim nächsten Mal.“

Zugehörigkeit
Fast jeder Amerikaner gehört einem oder mehreren Clubs an und engagiert sich ehrenamtlich. Historisch gesehen gab es in den USA schon immer viele unterschiedliche Kulturen und Bevölkerungsgruppen, die lernen mussten miteinander auszukommen. Eine Gruppenzugehörigkeit ist deshalb vielleicht wichtiger als bei uns in Deutschland, wo im Gegensatz dazu die charakteristischen Eigenheiten des Einzelnen stärker ausgelebt und akzeptiert werden. Auch Altersunterschiede spielen bei Freundschaften in den USA eine geringe Rolle. Zwar gilt Amerika als Land der Extreme, aber auch die werden gemeinschaftlich gelebt. Amerikaner sind offener und toleranter. Jeder hält sich jedoch mehr oder weniger an gesellschaftliche Normen und Umgangsformen, anstatt sich wie bei uns bewusst als Individuum aus der Masse abheben zu wollen. Meist bewegen sich die Menschen beider Länder trotzdem nur in ihrem Kreis, was die Sozial- und Bildungsschere noch weiter auseinander driften lässt.
Der, ein bisschen von den Europäern belächelte, gemeinschaftliche Nationalstolz wird dort nicht in Frage gestellt und hält das Land und seine unterschiedlichen Menschen als Ganzes zusammen. Menschen müssen nicht ihre eigene Kultur komplett aufgeben, um Amerikaner zu sein. Vielleicht etwas wirklich Nützliches, das wir uns in Deutschland abschauen sollten, um harmonischer mit Einwanderern und mit unseren europäischen Nachbarn zu leben.
Ich habe auch das Gefühl, dass in Deutschland trotz des guten sozialen Netzwerks mehr Menschen auf der Straße leben, was mich sehr nachdenklich macht. Während ich in den USA Menschen betteln sah, die es augenscheinlich nötig hatten, irritiert es mich in Deutschland vor allem, dass es viele gesund aussehende und junge Leute gibt, die nach Geld fragen. Ich würde annehmen, dass niemand zum Spaß bettelt, bin aber eher ratlos und würde die Gründe in unserer negativen, nicht menschenorientierten Sichtweise und der Frustration mit unserem System suchen. Wer gedanklich oder situationsbedingt in einer Schublade steckt, kommt in Deutschland schwer wieder heraus.

Freundschaften ohne Alters- oder Kulturbeschraenkungen

Freundschaften ohne Alters- oder Kulturbeschränkungen

Jammern auf hohem Niveau
Die ständigen Streiks zeigen es deutlich: Deutsche jammern auf hohem Niveau. Während es in den USA weder gesetzlich vorgeschriebene Urlaubs- oder Krankheitstage noch Kündigungsschutz, Mutterschutz und weniger Feiertage gibt, beschweren wir uns in Deutschland kontinuierlich wie schlecht es uns geht. Natürlich ist es sinnvoll, sich an höheren und nicht an niedrigeren Standards zu orientieren, aber unter den überzogenen deutschen Ansprüchen leiden letztendlich oft alle Beteiligten. Unternehmen gehen kaputt bzw. flüchten aus mangelnder Wirtschaftlichkeit ins Ausland.
Das Aufschauen zur amerikanischen Wirtschaft ist in Teilen durchaus berechtigt, aber der Preis, den ein solches Wirtschaftssystem für die Menschen hat, wird dabei meistens vergessen.

Geschwindigkeit
Zwar gibt es auf deutschen Autobahnen kein Tempolimit, aber das Leben geht im Allgemeinen gemächlicher zu als auf der anderen Seite des großen Teichs. Auch wenn das Arbeitsklima in den USA relativ entspannt scheint, werden Aufgaben wahnsinnig schnell erledigt. In Deutschland nimmt man sich wesentlich mehr Zeit um Sachen detailiert zu bearbeiten.
Da Amerikaner alle paar Jahre umziehen und ihren Job wechseln, sind sie daran gewöhnt schnell zu reagieren. Ihre Ideen und Ansichtsweisen wandeln sich ständig und erschienen mir oft sprunghaft. Amerikaner schaffen einen Pool von Möglichkeiten, während wir Deutschen noch die erste Methode durchkalkulieren.

Zufriedenheit
Es dürfte wohl jedem bekannt sein, dass Amerika das Land des Überflusses und der Verschwendung schlechthin ist. Trotzdem empfand ich die Menschen dort als sehr unzufrieden. Sie haben nie genug! Obwohl sie eigentlich mehr im Moment leben als wir Deutschen und weniger in die Vergangenheit und Zukunft blicken, kommt es mir so vor, als hätten sie verlernt ihren Reichtum und ihren Besitz zu genießen. Dinge werden oft nur gekauft oder unternommen, um später von ihnen erzählen zu können und sie als Statussymbol vorzuzeigen. Ich finde es besonders schade, dass sich Europa gerade am Überfluss und dem bequemen Lebensstil in den USA ein Vorbild nimmt.

Einfamilien Südstaatenhaus in Atlanta

Einfamilien Südstaatenhaus in Atlanta

Wenn wir immer mal wieder genauer hinschauen, entdecken wir wie viele Gemeinsamkeiten alle Menschen auf der Welt haben und was uns verbindet. Zudem kommt es maßgeblich darauf an, wie wir selbst auf unsere Mitmenschen zugehen.

Durch das viele Reisen und Umziehen habe ich meine strikte Heimatzugehörigkeit verloren. Zwar fand ich das erst ein bisschen schade, aber so weiß ich nun, dass ich mich an vielen Orten auf der Welt zuhause fühlen kann.
Daheim ist für mich da, wo sich mein Leben abspielt. Ich kann überall glücklich sein wenn ich mein Denken und Lebensgefühl darauf einstelle, authentisch bleibe und echte Verbindungen zu anderen Menschen aufbaue.

Ich hoffe für mich etwas von der entspannten, positiven und menschenorientierten Denkweise aus dem Leben in den USA beibehalten zu können. Allerdings gefällt mir der aktive, variationsreiche Lebensstil in Deutschland sehr gut.

Während mein Umzug sehr minimalistisch war, sind meine mitgenommenen Erinnerungen und Erfahrungen zahlreich.
Welche Erfahrungen habt ihr aus dem Leben oder Reisen im Ausland mitgebracht?