MINIMALISMUS BEIM UMZUG
Jeder Umzug bringt frischen Wind ins Leben, erst recht einer, der über Kontinente hinweg geht. Wir sind von Atlanta in den Südstaaten der USA nach Nürnberg gezogen. Viel mitgenommen habe ich nicht, lediglich einen Koffer, einen Reiserucksack und Handgepäck. Für mich war das trotzdem eine Menge zu schleppen und ich habe es vermisst, nur mit meiner Handtasche zu reisen. Gewöhnlich teilen sich Daniel und ich einen Handgepäckkoffer im Urlaub. Aber diesmal mussten wir natürlich unser gesamtes Hab und Gut mitnehmen.
Wieder einmal wurde uns klar und deutlich vor Augen geführt, wie wenig Materielles wir eigentlich brauchen. Bei der Wohnungsauflösung waren wir froh, dass wir wenig besitzen und trotzdem haben wir uns gewünscht es wäre noch weniger. Das können wir jetzt bei unserem Neuanfang gut verwirklichen.
Ich war überrascht wie leicht es mir fiel mich von meinen Sachen zu trennen. Dabei hat es mir besonders viel Spaß gemacht Dinge zu verschenken. Einerseits war es schön zu sehen, wie ich andere Menschen damit glücklich machen konnte. Andererseits habe ich gemerkt, dass es mir im Grunde eher darum ging ein nützliches Zuhause für die Dinge zu finden, damit Ressourcen gespart und Müll vermieden wurde, als etwas dabei zu verdienen.
Zugegebenermaßen waren viele unserer Sachen einfache Gebrauchsgegenstände. Aber auch mein Fahrrad hat kostenlos den Besitzer gewechselt. Einige wenige Dinge wie das Auto und manche Möbelstücke haben wir verkauft, den Rest gespendet. Wir haben auch gleich die Gelegenheit genutzt, unsere Garderobe nochmal zu verkleinern und wirklich nur das mitzunehmen, was wir oft und gerne tragen.
Leider musste ich ein paar Sachen aus der Wohnung nur mitnehmen, weil mir die Zeit gefehlt hat, sie vor dem Umzug durchzugehen und auszusortieren. Gut organisiert zu leben ist von Vorteil und vermeidet das Anhäufen von unnützen Dingen. Oft können Papierdokumente auch einfach digitalisiert und virtuell aufgehoben werden.
Gerade wir Deutschen neigen dazu, Sachen zu lange aufzuheben und für Eventualitäten zu planen. Was in Einzelfällen durchaus nützlich sein kann, ist in 99 Prozent der Fälle wohl eher verlorene Lebenszeit.
Wieder in Nürnberg angekommen, wühlte ich mich durch meine alten Sachen, die ich noch bei meinen Eltern gelagert hatte. Nachdem ich nun so viel Übung darin hatte Dinge loszulassen, räumte ich sehr viel aus und werde es bald bei einem Trödel verkaufen. Mir ist vor allem aufgefallen, dass der Wert, den viele Sachen für mich haben, komplett unabhängig vom eigentlichen Sachwert ist.
Es war wesentlich schwieriger mich nach fast vier Jahren von meinem sozialen Umfeld, Freunden und Kollegen zu verabschieden. Auch wenn viele Freundschaften weiterhin bestehen bleiben und obwohl ich mich freue, wieder näher bei Familie und Freunden in Deutschland zu sein, ist es immer schwer aus seinem Alltag gerissen zu werden. Soweit bin ich allerdings glücklich mit unserer Entscheidung.
Ich bin neugierig darauf, welche Lösungen ich nun für meine Alltagsprobleme finden werde. Es ist spannend und manchmal frustrierend, alles wieder neu lernen zu müssen. Dafür werde ich euch von jetzt an noch bessere Tipps zu Zero Waste, einer bio-veganen Lebensweise, nachhaltigen Einkaufsmöglichkeiten und einem minimalistischen Lebensstil in Deutschland geben können und darauf freue ich mich schon sehr.
Da ich nun vorhabe zu bleiben, haben sich meine Ansprüche an meinen Alltag weiter nach oben geschraubt und ich stelle mir immer wieder die Frage, wie genau ich leben und meine Zeit nutzen möchte. Während der letzten zehn Jahre, in denen ich immer wieder umgezogen bin, habe ich gelernt zufrieden mit mir und mit meinem Leben zu sein und es abgelegt, andere zu beneiden. Jeder von uns ist einzigartig in seiner Erfahrung, seinem Denken und seiner Art und Weise Dinge zu tun. Kein anderer kann genau das Gleiche genau so tun wie du selbst, ob beruflich oder privat. Ich habe aber auch gelernt, Veränderungen in meinem Leben vorzunehmen wenn ich nicht zufrieden war, anstatt abzuwarten ob sich etwas ohne meinen Einfluss ändert. Das Leben ist einfach zu kurz.
Viele Dinge betrachte ich jetzt aus einem ganz anderen Blickwinkel. In manchen Situationen komme ich mir wie ein Tourist vor, der außerhalb der Landeskultur steht, sie beobachtet und ihren Sinn hinterfragt. In meinem nächsten Artikel werde ich euch von einigen Unterschieden und von meinem umgekehrten Kulturschock erzählen, der sich sicher bald wieder legen wird, aber nicht ohne Spuren an meiner Lebensweise zu hinterlassen. Wir können gegenseitig so viel von anderen Kulturen lernen, das für unser eigenes Leben relevant ist, ob bei uns im Land oder anderswo.
Minimalismus macht süchtig. Auch beim Umzug gilt: Mehr ist zwar mehr aber nicht unbedingt besser.
Welche Dinge und Erfahrungen würdet ihr bei eurem nächsten Umzug unbedingt mitnehmen?
Hallo Anne,
deine Minimalismus-Erfahrungen sind wirklich spannend. Durch diverse Umzüge über weite Strecken habe ich Ähnliches erlebt, es gibt soviel Zeugs, das man bei ein wenig Nachdenken nicht braucht!
Da wir jetzt ein grosses Haus haben, befindet sich hier allerdings sehr viel „Material“ – z.B. weil die erwachsenen Kinder Sachen lagern und wir geschenkte Möbel und Baumaterial für den Ausbau unterbringen, hier entsteht noch Wohnraum für Freunde. Das Zeug stört mich aber nicht, damit ermöglichen wir den Anderen ja dann nur mit einem Koffer umzuziehen. 🙂
Ein Vorschlag von dir gefällt mich nicht so ganz: das virtuelle Lagern von Dokumenten. Für mich bedeutet das Abhängigkeit von Hardware und Strom – darauf möchte ich nicht angewiesen sein. Die wirklich wichtigen Dokumente passen aber normalerweise in eine Aktentasche oder einen kleinen Karton. Da findet man doch i.d.R. jemanden, der das aufbewahrt und „unterwegs“ reicht dann natürlich ein Stick. Das Lagern im Netz halte ich nicht für sinnvoll – verbraucht Speicherplatz (letztendlich Materie und Energie) und erzeugt Abhängigkeit und die Daten können missbräuchlich genutzt werden.
Auf deine neuen Erfahrungen mit verändertem Blickwinkel in der alten Heimat bin ich sehr gespannt!
Liebe Grüsse, Karin
Hi Karin,
Klar, Dinge die für einen selbst sinnvoll sind dürfen natürlich bleiben. Minimalismus ist sehr persönlich und es gibt kein gezwungenes Höchst- oder Mindestmaß. Schön, dass du so viel an andere denkst und ihnen ihr Leben erleichterst.
Wenn du dich nicht wohl dabei fühlst manche Sachen digital zu lagern ist das natürlich OK. Mir haben meine digitalen Dokumente auf dem Stick schon oft das Leben erleichtert. Strom ist ja doch meistens verfügbar und für mich ist der Stick einfacher als ein Order Dokumente. Man muss ja nicht auf ein Cloudsystem zurückgreifen wenn man Angst vor Datenmissbrauch hat. Ich schätze auch die Suchfunktion bei digitalen Dokumenten die mir schon viel Zeit gespart hat. Natürlich sollte auch bei der digitalen Speicherung Ordnung gehalten und alte Dateien aussortiert werden bevor der Bestand ins Unermessliche wächst 😉
Ich nutze die digitale Speicherung auch für Dinge, die nur mir persönlich wichtig sind und habe schon Sachen abfotografiert bzw. eingescannt, die ich interessant fand oder für die Zukunft aufheben wollte, wie Gemälde, Erinnerungsstücke oder Artikel, die ich nicht mitnehmen wollte oder konnte.
Wenn du Lust hast, freuen wir uns natürlich auch darauf, wenn du uns von deinem Blickwinkel erzählst.
Liebe Grüße! ~Anne
Liebe Anne,
dein Artikel ist wirklich sehr interessant! Respekt, dass du so wenig mitgenommen hast und besitzt. Und auch, dass ihr nur mit einem Handgepäckkoffer reist. Ich merke, ich kann bei mir noch einiges verändern.
Ich miste ja regelmäßig aus, aber vielleicht schaffe ich es beim nächsten Mal noch großzügiger zu sein. Mir fallen da gleich ein paar Sachen ein, die ich schon echt lange nicht mehr gebraucht habe… Für meinen nächsten Umzug (wahrscheinlich Ende des Jahres) möchte ich dann nochmal richtig reduzieren. Und der Plan von meinem Freund und mir ist, für die gemeinsame Wohnung nichts Neues zu kaufen sondern nur auf bereits Vorhandenes zurückzugreifen oder an Gebrauchtes zu gelangen.
Ich wünsche dir einen guten Start in Nürnberg und bin gespannt auf deine Erfahrungen und Überlegungen in Deutschland!
Liebste Grüße
el Benschi
PS: Mich würde deine Meinung zu meinem Artikel Grün, grün, grün sind alle meine Kleider? total interessieren. Vielleicht hast du ja mal Zeit, ihn dir durchzulesen. 🙂
Hi el Benschi,
Das ist ja ein cooler Vorsatz und ich wünsche dir und deinem Freund viel Spaß und Erfolg beim Einrichten. Ich find’s auch toll, dass ihr euch beide dabei so einig seid!
Ausmisten wird Stück für Stück immer leichter aber ich finde es wichtig sich nicht unter Druck zu setzen sondern nach seinem eigenen Wohlbefinden zu handeln.
Danke und liebe Grüße! Ich habe dir gerade ein paar Gedanken zu deinem Artikel geschrieben.
~Anne
Hey Anne, dein Artikel ist wirklich durch und durch interessant. Seit diesem Jahr bin ich auch immer mehr am aussortieren und am ausmisten, zu 99 % verschenke ich die Sachen. Es gibt einem ein gutes Gefühl Sachen loszuwerden und dann auch weniger zu haben. Letztes Jahr wollte es irgendwie nicht so ganz klappen mehr auszumisten, da hab ich eher noch einen Teil dazugekauft… Dadurch das ich in einem sehr kleinen Raum lebe (10,4 qm dazu kommen noch Schrägen hinzu,die darin nicht berechnet sind) wurde mir irgendwann alles zu eng. Dadurch das ich bald auch vorhabe die Welt zu erkunden und 3 Monate mit Handgepäck schon unterwegs war, wurde mir klar wie wenig man doch eigentlich braucht. Das beste war das ein Teil meines Handgepäcks auch wieder auf der Rückreise unbenutzt war und dafür hätte ich mir lieber einen warmen Pulli einpacken sollen… :D…man lernt ja nie aus. Ich habe selber gemerkt das man vieles hortet und auf Nummer sicher gehen möchte das man ja auch noch was als „Ersatz“ für den „Notfall“ hat.. eigentlich totaler Schwachsinn meiner Meinung nach,weil ich immer noch genug Zeug habe und auch nach mehr als 5 vollen Ikea Taschen die ich dieses Jahr schon ausgemistet habe, bin ich immer noch der Meinung zu viel zu besitzen. Wegen Dokumenten hast du einerseits Recht, andererseits weiß man ja wie schon- (grüner Alltag)meinte nicht, wer Zugang zu den Daten dann hat.
Ich finde es super, das man sich austauschen kann und auch andere die Erfahrungswerte hier mitteilen können.
Liebe Grüße
Hi Toskana (da wär ich jetzt gern ;))
Freut mich, dass du den Artikel interessant fandest! Toll, dass du deine Sachen verschenkst. Das ist eine schöne Art Dinge loszuwerden und anderen zu ermöglichen sie zu nutzen. 3 Monate mit Handgepäck und nicht mal alles verwendet – Hut ab! Und auch für das Leben auf 10,4 qm, da ist Minimalismus ja praktisch schon ein Muss.
Danke für deinen Kommentar und viel Freude bei deiner Reise!
~Anne
[…] erzählt auf grüner Alltag von ihrem Umzug aus den USA nach Nürnberg, über das Ausmisten vor und nach dem Umzug und über den Unterschied zwischen Sachwert und […]