HYPNOBIRTHING GEBURT IM GEBURTSHAUS
Vor meiner zweiten Geburt hatte ich mehr Respekt als vor der ersten. Ich wünschte, ich wüsste nicht was auf mich zukommt.
Um ruhiger zu werden machte ich einen HypnoBirthing Kurs. Die Methode verspricht eine natürliche, schmerzfrei(er)e Geburt bei größtmöglicher Entspannung durch eingeübte Selbsthypnose. Weil meine erste Geburt schnell und unkompliziert verlief, führte mich mein Weg diesmal ins Geburtshaus.
Wie meine HypnoBirthing Geburt im Geburtshaus verlaufen ist, welche geburtsvorbereitende Maßnahmen ich in der zweiten Schwangerschaft angewendet habe und welchen besonderen Geburtstag sich unser Baby ausgesucht hat, lest ihr hier.
Diesmal kündigte sich die Geburt schon über Wochen an. Ich hatte Senkwehen noch vor meinem Mutterschutz. Es folgten häufige, kräftige Vorwehen und Anfang Dezember, stellte meine Frauenärztin fest, dass der Muttermund schon 2cm geöffnet war. Der Geburtstermin war Silvester.
Doch die Weihnachsfeiertage vergingen und meine Hebamme mutmaßte, wir würden unser Baby noch vor dem Jahreswechsel in den Armen halten. Schließlich hatte ich inzwischen Wehen in zehnminütigem Abstand. Ich war aufgeregt aber versuchte mir so viel Ruhe wie möglich zu gönnen. Wir warteten schon wochenlang auf das Baby. Doch jedes Mal, wenn die Wehen stärker wurden, verwschwanden sie am späten Nachmittag abrupt wieder.
Wir feierten Silvester bei meinen Eltern auf dem Sofa und bekamen nicht das erste Baby des neuen Jahrzehnts. Unser Marius suchte sich ein anderes, besonderes Geburtsdatum aus: Er erblickte am 5.1.2020 um 12:18Uhr das Licht der Welt und teilt sich somit den Geburtstagstag mit seinem großen Bruder.
Geburtsgeschichte
Ich wachte morgens um 5:30Uhr mit Wehen auf und döste noch zwei Stunden im Bett vor mich hin. Um 7:30Uhr stand ich auf und war mir inzwischen ziemlich sicher, dass es sich um Geburtswehen handelte. Ich hieß die Wellen willkommen, veratmete sie ruhig und stellte mir dabei vor, wie sie meine Bauchmuskulatur anhoben und den Muttermund öffneten. Ich machte mich im Bad fertig, bis um 8:00Uhr Daniel und Lars aufstanden. Daniel rief meine Eltern an um Lars abzuholen. Zwischen den Wellen konnte ich gut reden, umherlaufen und sogar eine Banane und ein Stück Brötchen essen. Ich war total entspannt und ließ Daniel noch ganz in Ruhe frühstücken. Dann rief ich meine Hebamme Andrea an, dass ich losfahren wollte und wir trafen uns um 10:15Uhr im weißen Haus, dem einzigen Geburtshaus in Nürnberg.
Ich veratmete die Wellen erst im Stehen, vornüber abgestützt auf eine Kommode und probierte dann noch ein paar andere Positionen aus wie knien und hocken. Sie wurden intensiver aber ich konnte sie sehr bewusst steuern. Nach einem kurzen Check der Herztöne des Babys per mobilem CTG und einem kleinen Einlauf, durfte ich gegen 11Uhr in die Badewanne. Kurz darauf wurden die Wellen so stark, dass ich mir mehr Unterstützung wünschte. Daniel massierte meinen unteren Rücken. Ich schaltete die Hypnobirthing Audiodatei am MP3 Player ein und steckte mir einen Kopfhörer ins Ohr. Automatisch entspannten mich die Wörter und Sätze, obwohl ich nicht einmal bewusst zuhörte.
Ich kniete in der Badewanne, stützte meine Arme auf dem Rand ab und spürte wie mein Bauch bei einer Wehe leer wurde und das Baby anschließend wieder zurück in den Bauch rutschte. Es war inzwischen mittag und ich bemerkte, dass Andrea und ihre Hebammenschülerin Janina nun bei mir an der Wanne saßen. Daniel gab mir Orangenöl zu riechen, weil ich den Geruch von Desinfektionsmittel an den Handschuhen der Hebammen nicht mochte.
Nun schlug Andrea vor, ich sollte aus der Badewanne steigen, was mir zuerst total absurd vorkam. Weil ich ihr vollkommen vertraute stieg ich in der nächsten Wehenpause trotzdem aus der Wanne, wurde kurz abgetrocknet und setzte mich auf die Toilette neben der Badewanne. Durch den Positionswechsel rutschte das Baby ein ganzes Stück nach unten. Ich veratmete lautstark noch 3-4 Wehen, wobei ich mich in den Wehenpausen hinstellen musste weil ich nicht mehr sitzen konnte. Ich hielt mich an einem Stuhl fest, der vor mir stand. Als ich langsam an die Grenzen meiner Kraft und Willensstärke geriet, spürte ich, wie der Kopf des Babys ein Stück raus- und wieder zurückrutschte.
Nun ließ ich mich auf die Knie auf eine Matte vor der Wanne fallen und stützte meine Arme auf den Wannenrand. Ich ertastete den Kopf meines Babys durch die geleeartige Fruchtblase hindurch und spürte bei der nächsten Wehe ein Brennen. Andrea öffnete die Fruchtblase. Und mit der längsten, anstrengendsten und letzten Wehe, schob ich unseren Marius in einem Rutsch ins Licht der Welt.
Der Wickelkünstler hatte sich dreimal in die Nabelschnur gewickelt: einmal um den Hals, einmal um den Bauch und einmal ums Bein. Die Nabelschnur war jedoch nicht zugezogen. Andrea wickelte ihn aus und nach einer kurzen Verschnaufspause konnte ich meinen Marius in die Arme schließen, zum großen Bett rübergehen und mich mit ihm zum Ausruhen hinlegen. Ich zitterte von der Anstrengung und nutzte die Kuschelzeit um mich zu erholen. Daniel durchschnitt die auspulsierte Nabelschnur. Marius schrie nur kurz, blickte wach und aufmerksam um sich und ließ sich etwas Zeit bevor er stillen wollte. Nach der Geburt der Plazenta untersuchten die Hebammen mich und unseren kleinen Sonnenschein und Daniel zog ihm die vorgewärmten Kleider an. Zurück ins Bett gekuschelt schlief Marius mit einem Engelslächeln auf den Lippen ein. Ich hatte keine Geburtsverletzung aber einen instabilen Kreislauf. Daher bekam ich eine Infusion und um 16:30Uhr fuhren wir nach Hause.
HypnoBirthing
Erst nach meiner ersten Geburt habe ich von HypnoBirthing erfahren. Und als ich erneut schwanger war, besuchte ich den HypnoBirthing Kurs von Anne Imrich um mich auf die zweite Geburt vorzubereiten.
Bei Furcht verkrampft der Körper und erschwert so den Geburtsprozess unnötig. Im Gegensatz zu einem klassischen Geburtsvorbereitungskurs stellt HypnoBirthing daher den psychischen Prozess während der Schwangerschaft und Geburt in den Vordergrund und lehrt, wie dieser positiv beeinflusst werden kann: Hemmende Gedanken und Ängste werden durch vorheriges Aufarbeiten und erlernte, automatische Selbsthypnose Techniken beiseite geräumt, um dem Körper bei seiner natürlichen Geburtsarbeit freie Bahn zu lassen.
HypnoBirthing empfand ich zwar als ein hilfreiches Werkzeug für die Geburt, aber ihr solltet dennoch offen für die Meinungen und Erfahrungen eurer Hebamme oder auch vom Klinikpersonal bleiben.
Ich finde zudem, dass HypnoBirthing die Geburt ein bisschen „leicht redet“. Es ist sinnvoll, dass ihr euch nicht zu sehr auf eine Idealvorstellung versteift, damit ihr nicht überwältigt oder enttäuscht werdet. Und wenn ihr die Möglichkeit habt, schneidet euch den MP3 Track der Regenbogenentspannung so zurecht, dass die Einführung wegfällt, damit ihr während der Geburt nicht vorspulen müsst.
Was mir HypnoBirthing bei meiner zweiten Schwangerschaft und Geburt gebracht hat
- Ich war ruhiger weil ich etwas Praktisches üben konnte.
- Meiner Geburtserfahrung blickte ich wieder gespannt und ohne Angst entgegen.
- Mein Selbstvertrauen wurde gestärkt.
- Die angeleiteten Entspannungsübungen als MP3 – „Affirmationen zur Schwangerschaft“ und „Regebogenentspannung“ – halfen mir durch die Vor- und Nachwehen, bei Schlafproblemen in der Schwangerschaft und zum automatischen Entspannen während der Geburt
- Ich hatte klare Bilder vom Mechanismus der Geburt vor Augen, die ich vor allem während den Eröffnungswehen abrufen konnte und begrüßte die Wehen.
- Ich erlebte die Geburt sehr bewusst mit.
- Bis auf die letzten 30 Minuten, blieb ich während der Geburt entspannt und fand alles gut machbar. Als es dann richtig anstrengend wurde, hielt ich mein Baby kurz drauf auch schon in den Armen.
- Mein Mann konnte den Geburtsprozess noch besser verstehen und mich unterstützen z.B. durch Massage und Duftöl
- Ich hatte die Geburt innerhalb weniger Tage verarbeitet
Geburtshaus
Ins Geburtshaus wollte ich aus einem ganz pragmatischen Grund: Weil meine erste Geburt sehr schnell ging. So hatte ich nämlich die beruhigende Option, dass meine Geburtshebamme auch zu mir nach Hause käme, sollte ich es nicht mehr raus schaffen.
Zudem hatte ich die Befürchtung, dass ich meine rasante Traumgeburt in der Klinik, so kein zweites Mal erleben würde. Schon deshalb, weil Ablauf und Hebamme anders wären als ich sie in Erinnerung habe.
Letztendlich war die Entscheidung für das Geburtshaus aber so viel mehr!
Meine Erfahrung im Geburtshaus bei meiner zweiten Schwangerschaft und Geburt
- Ich lernte „meine“ Geburtshebamme Andrea und ihre Hebammenschülerin Janina schon während der Schwangerschaft kennen, so dass sie wussten wie ich mir die Geburt vorstellte
- Ich hatte während der Geburt volles Vertrauen in meine Hebamme
- Mit meinem Mann zusammen waren drei Personen ausschließlich für mich da
- Mehr Wissen, weniger Technik: Meine Hebamme war immer genau im richtigen Moment an meiner Seite, ohne dass ich etwas sagen musste, weil sie schon an meiner Atmung erkannte wann ich Unterstützung brauchte
- Die Atmosphäre im Geburtshaus war sehr familiär, ich kannte die Räumlichkeiten gut
- Ich musste keine Standardprozeduren über mich ergehen lassen, wie einen Zugang im Handgelenk oder ein ständiges CTG und auch nicht auf einen freien Kreißsaal warten.
- Es wurde nur 2 mal während der Geburt ein kurzes, mobiles CTG gemacht
- Der Muttermund wurde kein einziges Mal gecheckt, da die Hebammen auch so ein genaues Bild vom Geburtsprozess hatten
- Ich hatte volle Entscheidungsfreiheit. So konnte ich das Wasser in der Badewanne zum Beispiel nach meinem persönlichen Temperaturempfinden selbst einlassen
- Nach der Geburt wurden sowohl mein Baby als auch ich ganz toll versorgt. Ich bekam viel mehr Aufmerksamkeit als in der Klinik
- Ich konnte meine Plazenta problemlos mit nach Hause nehmen
- Wir bekamen praktische Tipps für den Heimweg mit, z.B. dass Daniel einen Stuhl für die Treppenabsätze holen sollte, damit ich mehrere Pausen machen konnte um in den 3. Stock hochzukommen
Als wir zuhause waren, durfte Lars sein Brüderchen gleich kennen lernen. Die erste Nacht im eigenen Bett war gerade beim zweiten Kind viel entspannter als im Krankenhaus. Unser Marius schlief sechs Stunden am Stück und auch Daniel und ich konnten zwischendurch wegdösen.
Meine Wochenbetthebamme, Anne Schulz vom Hebammeneck, kam gleich am nächsten Morgen zu uns. Übrigens war sie es, die vorgeschlagen hatte, dass ich im Geburtshaus ein Vorgespräch für eine mögliche Geburt ausmachen könnte.
Ich fühlte mich während meiner zweiten Schwangerschaft rundum gut betreut, weil meine Frauenärztin Frau Ziegler, meine Geburtshebamme und meine Wochenbetthebamme so gut und respektvoll miteinander gearbeitet und sich ergänzt haben, wie es sich jede Schwangere wünscht! So splittete ich zum Beispiel die Schwangerschaftsvorsorgetermine zwischen Ärztin und Hebamme auf und wurde auch zwischen den Feiertagen gut betreut.
Als Marius 10 Tage alt war, mussten wir zur U2 zum Kinderarzt fahren und dann nochmal einen extra Termin beim HNO Arzt zum Hörtest wahrnehmen.
Geburtsvorbereitende Maßnahmen
- Ich habe einen Schwangerschafts Yoga Kurs bei Sandra Grundl von der Familienbande besucht. Der Kurs hat mich in Bewegung gehalten, mein Bewusstsein auf mein Baby gelenkt und durch das Tönen bei einigen Übungen Hemmungen genommen und Mut für die Geburt gemacht.
- Gegen Mitte der Schwangerschaft habe ich einen Cantienica Kurs bei Kathrin Pal angefangen und fand den Kurs hilfreich für mein Körpergefühl und gegen Haltungsschmerzen und Rektusdiastase in der Schwangerschaft.
- Ab der 34. Schwangerschaftswoche machte ich fast täglich eine Dammmassage.
- Ich gönnte mir so viel Entspannung, Schlaf und Ruhe wie möglich gegen Ende der Schwangerschaft, so dass ich voll Kraft und Energie für die Geburt war.
- Zudem haben mich meine Geburtshebammen zwei Tage vor dem Geburtstermin akupunktiert, weil ich schon alle zehn Minuten regelmäßige Vorwehen hatten. Gleich nach der Akupunktur geschah jedoch das Gegenteil und die Wehen verschwanden für einen Tag komplett. Meine Hebamme meinte, dass mein Körper mit den Wehen dem Baby signalisiert, dass er bereit wäre, aber noch auf den Startschuss bzw. Hormoncocktail des Babys wartet, der die Geburt einleitet.
- Vier Tage nach dem Geburtstermin, am Tag vor der Geburt, habe ich ein Senffußbad gemacht, über den Tag verteilt Himbeerblättertee getrunken und wir waren abends indisch essen. Beim Essen bekam ich tatsächlich stärkere Wehen, die jedoch zuhause für die Nacht wieder verschwanden, bis es am nächsten Morgen mit der Geburt los ging.
Eine Geburt ist ein Jahrtausende alter, ganz natürlicher Vorgang und Frau macht intuitiv vieles richtig wenn sie sich von ihrem Körper leiten lässt.
Die zweite Geburt war für mich leichter als die erste, weil ich deutlich länger entspannt blieb und den Prozess bewusster steuerte. Ob das nun HypnoBirthing, dem Geburtshaus oder der ersten Geburtserfahrung zu verdanken ist, kann ich nicht sagen. Eine Portion Glück gehörte sicher auch noch dazu! Auf jeden Fall habe ich mich wieder auf mein Bauchgefühl verlassen und das ist letztendlich auch der beste Tipp den ich habe. Ich bin sehr dankbar für meine Geburtserfahrungen und meine beiden wunderbaren Söhne.
Jede Geburt ist eine bemerkenswerte Leistung! Ich finde, jede Frau sollte mächtig Stolz auf sich sein wenn sie eine Geburt gemeistert hat und diese Stärke mit in ihr weiteres Leben nehmen!
Welche Erfahrungen und Tipps nehmt ihr von eurer Geburt besonders mit?
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Das ist ein schöner Geburtsbericht. Ich würde mir im Nachhinein wünschen, auch eines unserer Kinder im Geburtshaus bekommen zu haben. Diese 1zu1 Betreuung ist sicher toll und die Selbstbestimmtheit auch. Viele Grüße und alles Gute für euch (Steffi aus Erlangen:-))
Hi Steffi,
Du hast sicher auch so einzigartige Erinnerungen an die Geburten! Man weiß ja nie, wie es anders gelaufen wäre 😉 Danke und liebe Grüße, ~Anne