WARUM BIO NICHT GLEICH BIO IST
In unserem Lieblingsbioladen gab es letzte Woche Mandelbutter zu probieren. Der kleine Familienbetrieb der sein Produkt vorstellte, erzeugt die Mandelbutter selbst, deren einzige Zutat gemahlene Mandeln sind. Anschließend wird die Mandelbutter in Gläser mit Aludeckel abgefüllt und verkauft. Während die zwei Kinder allerhand Unfug trieben und den Becher mit gebrauchten Holzprobierspateln um warfen, erwähnte die Mutter nebenbei, dass sie für die Herstellung keine Biomandeln verwendet. Sie meinte, dass die Biofarmen genauso viel spritzen würden wie die konventionellen, ihre Mandeln dann aber um einiges teurer verkaufen.
Ich war irritiert, denn ich dachte im Bioanbau dürfen keine Spritzmittel verwendet werden, also fragte ich nach. Ich korrigiere daher, es dürfen keine chemischen Spritzmittel verwendet werden. Ob es jedoch so viel besser ist Nervengift aus tropischen Pflanzen oder Schwermetalle auf unser Obst und Gemüse zu sprühen? Da wäre ich mir nicht so sicher.
Auch die Grenzwerte sind im Bioanbau anders festgesetzt und liegen in manchen Einzelfällen noch über denen der konventionellen Landwirtschaft. Bei einigen Biopritzmitteln darf sogar so oft und so viel gesprüht werden wie es beliebt. „Das würde doch niemand machen“, dachte ich, aber leider wieder weit gefehlt! Da die biologischen Spritzmittel nicht so wirkungsvoll gegen Schädlinge sind wie die chemischen, wird häufig sogar mehr gesprüht. Zwar handelt es sich um natürlich vorkommende Stoffe, aber in den Mengen und in einer komplett anderen Kulturlandschaft verwendet, bezweifle ich, dass unser Ökosystem so leicht damit fertig wird. Und auch unsere Wasseraufbereitungsanlagen sind vermutlich wenig auf tropische Pflanzengifte ausgelegt.
Natürlich bin ich deswegen nicht zu den Biogegnern übergelaufen, denn es gibt noch andere wichtige Aspekte der Biolandwitschaft, wie das Verbot von gentechnisch verändertem Saatgut zum Beispiel. Zudem legen die verschiedenen Biosiegel unterschiedliche Bestimmungen und Grenzwerte fest, die oft weit über das halbherzige europäische Biosiegel hinausgehen.
Immerhin verstehe ich nun endlich, warum wirkliche Bioprodukte von Bauern aus der Region, die aus Überzeugung biologisch anbauen, teurer sind als Bioprodukte aus Großbetrieben, die sich nur an die minimalen Auflagen per se halten.
Supermarktketten drücken die Biopreise zusätzlich in den Keller, was für viele Landwirte die Umstellung auf den Bioanbau unattraktiv macht. Auch die Zertifizierung ist ein langwieriger und kostspieliger Prozess und lohnt sich für kleine Landwirtschaftsbetriebe oft nicht.
Die Wunschvorstellung von echtem Billigbio ist spätestens nach dieser Erkenntnis also endgültig dahin. Dagegen bedarf es nicht unbedingt eines Biosiegels, um ein gutes, verantwortungsvolles Produkt herzustellen.
Das Dilemma als Verbraucher ist nun, wie erkenne ich ein echtes Naturprodukt und wem kann ich überhaupt noch vertrauen? Wieder einmal heißt es kritisch bleiben und nach Möglichkeit mal den Hof zu besuchen, von dem wir unser Obst und Gemüse kaufen. Entscheidend ist ein gesunder, nährstoffreicher Boden voll von Mikroorganismen, der dunkel und reichhaltig wie Waldboden aussieht und die Pflanzen somit von innen heraus gesund hält, statt Spritzmittel nötig zu machen.
Ob auf dem Hof, im Laden oder beim Wochenmarkt, stellt den Verkäufern eure Fragen! Sie freuen sich über das Interesse und können wertvolle Auskünfte geben. Unser Bauer gestand, dass er bei manchen Obstsorten minimale konventionelle Spritzmittel einsetzt, da sie sonst in unserem Breitengrad überhaupt nicht wachsen könnten. Er weist diese selbstverständlich nicht als Bio aus. Ich kaufe seine Produkte dennoch lieber als sie mit Biosiegel aus anderen Ländern importieren zu lassen.
Ich bin skeptisch, wenn Obst und Gemüse zu perfekt und makellos aussieht und außerhalb der Saison angeboten wird. Ein nicht makelloses Produkt, verlangt aber auch Flexibilität und Verständnis vom Verbraucher. Präventive Spritzmittel werden vorwiegend aus ästhetischen Gründen angewendet, da sich „hässliches“ Obst und Gemüse einfach nicht verkaufen lässt. Der Scanner für das richtige Rot der Tomaten und die genauen Größenbestimmungen für Kartoffeln sind nur zwei der absurden Praktiken, die den Irrsinn unserer Konsumwelt widerspiegeln. Geschmack und Nährstoffgehalt, die eigentlich am wichtigsten sind, spielen eine völlig untergeordnete Rolle.
Meiner Meinung nach dürfte es den Begriff ˶Bio“ überhaupt nicht geben. Schließlich handelt es sich dabei um die normale Anbauweise, die über viele Jahrtausende erfolgreich praktiziert wurde. Natürliche Kreisläufe, Artenvielfalt, ein Anpassen an die Bedingungen von Landschaft und Wetter und ein geschicktes Wirtschaften mit der Natur, statt gegen sie, machten die Ernte möglich. Die heutigen Standardanbaumethoden in unserer westlichen Welt sind weder langfristig erprobt noch natürlich und sicher nicht konventionell.
Wie viel Arbeit im Anbau von Obst und Gemüse steckt weiß jeder, der sich selbst an Garten- oder Balkonpflanzen versucht. Daher sollten wir sie auch durch angemessene Preise und realistische Erwartungen würdigen.

Obst mit Schönheitsfehlern

Riesenapfel und Miniapfel aus der Biokiste
Danke für diesen Denkanstoß.
Irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass Bio im Supermarkt auch nicht so der Knaller sein kann. Immerhin kostet das Bio Gemüse beim Discounter weniger als das konventionell angebaute am Wochenmarkt (Ausnahmen bestätigen wieder mal die Regel).
Zu den Riesenäpfeln. Ich mag die nicht einmal. Ein kleiner Apfel für zwischendurch schmeckt mir viel besser, als so ein Riesending an dem man gefühlt ewig ist und der aber irgendwie nach nichts schmeckt.
Liebe Grüße, Daniela
Hi Daniela!
Ja ich wunder mich manchmal wie da überhaupt noch Gewinn gemacht werden kann. Oder besser wer verliert..
Der Riesenapfel war sogar lecker, aber ja, ich hab den ganzen Vormittag daran gegessen und nachdem er weg war hat es mir mit Äpfeln erstmal gereicht. Du hast recht, das große und hübsche Obst und Gemüse schmeckt meistens am wenigsten.
Liebe Grüße! ~Anne
Hallo Anne,
Deinen Ausführungen stimme ich vollumfänglich zu. Ich kaufe zu 90 % im Biofachhandel od. auf dem Markt ein. Ebenso kaufe ich Obst/Gemüse entsprechend dem was bei uns gerade wächst. Sicherlich keinen Kürbis aus Argentinien,den ich allerdings letztes Jahr leider in einem Naturkostladen entdeckte.
Was die Preispolitik anbelangt,so führt ein Billig-Bio zwangsläufig dazu,daß der Landwirt nicht ordentlich wirtschaften kann, schließlich muß er einen Gewinn erwirtschaften, um überleben zu können. Außerdem leben wir hier in einer Gesellschaftsstruktur wo wir alle Geld benötigen,um unser Überleben zu sichern,egal ob als Gehaltsempfänger oder wirtschaftaftender Betrieb.
Die Landwirte haben auch Anspruch darauf, für ihre viele Arbeit angemessen entlohnt zu werden, sprich einen angemessenen Gewinn zu erwirtschaften. Für mich ist die Bereitschaft auch einen angemessenen Preis zu bezahlen, Ausdruck meiner Wertschätzung gegenüber dem Menschen.Natürlich muß auch ich sparen,aber das kann ich an anderer Stelle tun, denn ökologisches Handeln erfordert eben auch gleichzeitigen Verzicht in anderen Lebensbereichen. Im übrigen kaufe ich nicht ökologisch erzeugte Lebensmittel aufgrund irgendwelcher persönlicher Gesundheitsvorteile,sondern als Beitrag zum Erhalt einer lebenswerten Umwelt.
Hi Eisbärin!
Genau, die Wertschätzung ist wichtig! So sind Lebensmittel ihren Preis wert.
Liebe Grüße, ~Anne