STADT ODER LAND – WO LEBEN WIR NACHHALTIGER?
Einfach aussteigen, vielleicht aufs Land ziehen und als Selbstversorger leben, klingt das nicht verlockend? Oder sind Städte mit ihren kurzen Wegen die richtige Antwort darauf wie wir ökologischer wohnen?
Städte sind ganz wundervolle, lebendige, aber auch abhängige und durchaus angsteinflößende Gebilde. Wir denken gerne wir sind unabhängig! Stellt euch vor ihr wollt einkaufen gehen und es gibt nichts?
In Amerika laufen Stadtentwicklungsprogramme, die Städte auf Resilience – also auf Widerstandsfähigkeit – gegen Klimakatastrophen, Ernteausfälle, Erdbeben, Wasserknappheit und Luftverschmutzung überprüfen und Maßnahmen ergreifen.
Wir sind alle abhängig vom Wetter, von der Landwirtschaft, von der Natur. Weil Umweltgesundheit auch Menschengesundheit ist! Tatsächlich ist Nachhaltigkeit so grundlegend wichtig, dass wir unsere Art zu Denken, Bauen, Arbeiten und Leben fundamental ändern müssen – und zwar jetzt.
Durch die zentrale Bedeutung der Städte und deren Wirtschaftskraft entstehen gerade hier Innovationen. Dabei können nicht nur die Bewohner, sondern auch die Städte selbst mit ihren Kauf- und Alltagsentscheidungen viel verändern, indem sie zum Beispiel Quoten für Biolebensmittel einführen und regionale Produkte stärker nachfragen.
Ich lebe gern auf kleinem Fuß mitten in der Stadt. Es ist für mich Luxus Dinge ablehnen zu können weil ich sie nicht brauche. Menschen besitzen so viele Sachen, die Zuhause rumliegen, anstatt dass sie genutzt oder anderen zur Verfügung gestellt werden. Es gibt einen riesigen Schatz an verfügbaren Ressourcen der wieder in den Kreislauf eingebracht werden muss – das Stichwort hier heißt Urban Mining. Vor diesem Hintergrund fällt es mir leicht Dinge wegzugeben um die Ressourcen für andere frei zu machen anstatt sie zu horten.
Unsere Wohnung ist mir mit 59 Quadratmetern fast zu groß für uns zwei. Wir haben ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und ein zusätzliches Zimmer, das ich als Büro und Gästezimmer nutze. Die Erfahrung hat gezeigt, dass wir auch zu viert in der Wohnung gut zurechtkommen wenn wir über mehrere Tage Besuch haben. Was für deutsche Verhältnisse auf Dauer ganz schön beengend klingt, gilt in anderen Teilen der Welt als großzügig. Wir haben nicht nur Wohnungsmangel in deutschen Großstädten weil es zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt, sondern auch, weil wir unnötig viel Fläche für uns beanspruchen.
Wenn wir enger zusammenrücken und damit die Versiegelung neuer Flächen verhindern, konzentriert sich im Gegenzug jedoch die Belastung für die Umwelt auf eine kleine Fläche. Die Probleme intensivieren sich. Schon deshalb ist es wichtig dass wir unseren Müll minimieren und keine Giftstoffe mit dem Abwasser den Ausguss hinunterspülen.
Trotz des guten Müllsystems in unserer Stadt haben wir im Haus keine Biotonne. Wir überlegten daher uns wieder einen Wurmkomposter zu bauen, haben uns aber letztendlich entschlossen, stattdessen unseren Biomüll einmal die Woche bei meinen Eltern zu kompostieren. Außer dass ich meine Eltern nun mindestens einmal die Woche sehe und im Frühling den Kompost sieben darf, bewirkte diese, durchaus nicht ideale Lösung, dass wir noch bewusster darauf achten möglichst wenig von unserem Obst und Gemüse wegzuschneiden. Wo es nur geht essen wir Schale, Stängel und Blätter einfach mit.
Noch besser als die jetzigen Methoden zu optimieren und Schadstoffe zu minimieren ist es grundlegend neu zu denken. Sind unsere Systeme überhaupt die richtigen? Komposttoiletten wären beispielsweise sinnvoller als unser heutiges Abwassersystem. Eine echte Sharing Community bei der wir Dinge gemeinsam nutzen oder ausleihen wäre effizienter als das heutige Besitzen von Gegenständen. Gemeinden und dezentrale Strukturen mit kurzen Wegen für Lebensmittel, Energie, Lern-, Arbeits- und Freizeitaktivitäten, wären besser als Ballungszentren, Industriehochburgen und weitläufige Wohngebiete auf dem Land. Kleinere Landwirtschaftsbetriebe könnten wieder echte, wertige Lebensmittel zu fairen Preisen produzieren und Menschen könnten wieder neben ihnen wohnen ohne um ihre Gesundheit zu fürchten.
Auch ohne eigenen Garten ist es leicht sich in der Stadt mit frischem Obst und Gemüse zu versorgen: von Biokisten über Wochenmärkte bis hin zu Naturkostläden. Parks und Urban Gardening Projekte machen die Städte grüner. Trotzdem ist es gerade für Stadtbewohner nötig, bei Outdooraktivitäten wieder zur Natur zu finden, die zwischen Beton und Events, Shopping und Kultur, Konflikten und gemeinsamen Aktivitäten oft zu kurz kommt. Nur was wir wertschätzen versuchen wir zu erhalten.
Egal wo wir wohnen, am besten fangen wir damit an mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Wo gibt es bei mir in der Nähe Projekte die unterstützenswert sind? Wo Menschen, deren Produkte echt gut und lokal sind? Wie kann ich mich vor Ort ehrenamtlich engagieren? Kann ich Gebrauchsgegenstände, Gartengeräte, die Mülltonne oder das Internet mit meinem Nachbar teilen? Am besten finde ich es, dass sich andere Menschen genauso freuen mit mir in Kontakt zu kommen wie ich mit ihnen. Gemeinsam können wir einfach mehr erreichen!
Manchmal müssen wir in unserem Alltag einfach kurz stehenbleiben, tief durchatmen und uns erinnern was leben eigentlich bedeutet, um Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.
Bist du eher ein Stadt- oder Landmensch und was ist dein liebster Nachhaltigkeitstipp in deiner Region?
Ein schöner Artikel, auch wenn ich dir nicht in allen Punkten zustimme. Denn in der Stadt noch näher zusammenzurücken, noch kleineren Wohnraum (als ohnehin schon) zu planen, halte ich persönlich nicht für die richtige Lösung. Das Leben in Hochhäusern bzw. in großen Mehrparteienhäusern geht alles andere als harmonisch zu. Zu viele Menschen auf zu kleiner Fläche produzieren meiner Erfahrung nach immer einen Konflikt.
Ich stimme dir allerdings zu, dass die Platzansprüche bzgl. Wohnungsgröße auch in den Städten oft absurd hoch sind. Zu zweit auf 70 m² und immer noch zu wenig Platz…. Wer es sich leisten will, bitte. Nur ich persönlich will nicht den Großteil meines Einkommens für die Miete ausgeben. Ich weiß ja nicht, wie das in Deutschland ist, aber in österreichischen Städten wird das zum Alltag.
Ich würde mich weder als Stadt- noch als Landmenschen bezeichnen. Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen (damals ca. 7000 Einwohner, heute nur noch 4500) mit einer etwas größeren Stadt in 30-Minuten Reichweite und schätze darum den Komfort Einkaufsmöglichkeiten und relativ kurze Wege vor Ort zu haben schon sehr. Komplett abgeschieden am Land – das kann ich mir genauso wenig vorstellen, wie dauerhaft in Graz zu leben.
Liebe Grüße, Daniela
Liebe Daniela,
Danke für deine Erfahrung und Einschätzung. Ich denke dass Konflikte eher aus eigener Unzufriedenheit entstehen, aus Stress, Übermüdung, Langeweile und aus Intoleranz, als aus dem Grund nahe zusammenzuleben. Ich denke aber auch, dass viele Gebäude einfach zu schlecht (Schallbrücken etc.) und zu trostlos gebaut sind, nicht unbedingt zu klein.
Du hast recht, auch hier sind die Mieten sehr teuer geworden was bedeutet dass man sich nur noch bei einem sehr guten Einkommen eine große Wohnung in der Stadt leisten kann, die aber meist auch wirklich unnötig ist.
Du scheinst einen guten Kompromiss für dich gefunden zu haben zwischen Stadt und Land zu leben, das finde ich spannend.
Ich bin in der Stadt aufgewachsen und daher eher ein Stadtmensch, genieße es aber auch sehr manchmal aufs Land zu fahren. Es ist schon sehr krass wie unterschiedlich diese beiden Welten geworden sind.
Liebe Grüße,
Anne
Guten Morgen Anne,
vielen Dank für Deine Gedanken und Anregungen. Mir gefällt Deine Art die Dinge zu betrachten.
Wir leben im Dorf, in unserem kleinen, alten Häuschen und empfinden diese Art zu leben als sehr angenehm. Das kleine Grundstück hinterm Haus ermöglicht uns eine kleine Selbstversorgung und unser gepachteter Garten mitten im Dorf ermöglicht uns eine noch größere Unabhängigkeit. Wir heizen mit Holz, ohne jegliche Technik, und haben eine kleine Solaranlage auf dem Dach und das Dach unserer Garten- und Holzhütte besteht aus einer kleinen PV-Anlage.
Wir sammeln das Regenwasser unter Anderem zum Gießen. Diese Möglichkeiten habe ich in der Stadt nicht. Wenn ich in der Stadt in einem Mehrfamilienhaus wohne, habe ich nicht die Möglichkeit zu wählen, ich bin darauf angewiesen, dass z.B. die Wärme zu mir kommt, dass der Strom zuverlässig aus der Steckdose kommt und die Möglichkeiten der Vorratshaltung sind sehr beschränkt.
Es gibt sie natürlich, die Vorteile in der Stadt zu wohnen und da ist die Vorliebe sicher entscheidend, welche Möglichkeiten ich nutze. Und wir sind im Dorf auf das Auto angewiesen. In der Kostenbilanz gleicht sich das durch die niedrigeren Lebenshaltungskosten wieder aus. Allerdings vergrößert die Abhängigkeit unseren ökologischen Fußabdruck.
Wir alle wissen, dass wir so nicht weiter machen können. Und wir wissen, dass wir nicht mehr, bis keine Zeit mehr haben, überlebensnotwendige Veränderungen einzuleiten. Und trotzdem fällt es uns so schwer, los zulassen. Diesen Ballast, der sich Konsumgüter nennt, abzuwerfen und uns auf das Notwendige zu beschränken. Verzicht ist in unserer Gesellschaft leider negativ belegt, da wir uns immer noch über Statussymbole und tote Konsumgüter definieren.
Verzicht, ganz bewusster Verzicht, ist das, was uns reifen lässt. Was unser Bewusstsein verändert. Siehe vegane Ernährung. Dieser ganz bewusste Verzicht auf dieses grausame und absolut unnötige Tierleid.
Und Gleiches bewirkt dieser Verzicht auf Massenkonsum. Er schenkt uns unbezahlbare Zeit. Wir können uns den Luxus leisten, weniger zu arbeiten, mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge zu haben. Auch gerade für die Selbstversorgung, wie auch immer sie sich gestaltet, auch für den Erhalt der Güter, die wir besitzen.
Es ist eine neue und spannende Art zu leben. Und sehr, sehr befriedigend…..Loslassen befreit. Aber jetzt bin ich vom eigentlichen Thema abgekommen.
Ich habe Dir noch einen Link zu einem sehr spannenden Video von Prof. Dr. Niko Peach „Befreiung vom Überfluss“.
https://www.youtube.com/watch?v=JFck2n-nM2E
In diesem Sinne wünsche ich Dir einen stressfreien, entspannten Sonntag.
lg Monika
Liebe Monika,
Danke für den schönen Bericht deiner Lebensweise. Es hört sich wirklich toll an wie ganzheitlich nachhaltig ihr lebt. Und klar gibt es in der Welt wie sie heute ist leider fast immer einige Negativpunkte, bei euch eben das Auto, um die man nicht herum kommt.
Eigentlich könnte man natürlich auch in der Stadt Regenwasser sammeln und für Grünflächen, Balkone etc. verwenden. Schade nur dass sich Vermieter und Stadt bei solchen Themen meist quer stellen. Zumindest kann ich noch wählen welchen Stromanbieter ich verwende 😉
Genau wie du empfinde ich „Verzicht“ auch eher als positiv. Bzw. sehen wir oft nicht auf was wir eigentlich verzichten wenn wir so leben wie wir jetzt leben. Gesundheit, sauberes Essen und Trinken, Freundschaften/soziale Bindungen, Naturverbundenheit, Zufriedenheit etc. sowas kann man mit Geld und Gegenständen überhaupt nicht aufwiegen…auf was verzichten wir also wirklich?
In das Video hab ich nur ganz kurz reingeschaut und bin gespannt es mir in Ruhe anzusehen.
Heute waren wir wandern und hatten einen sehr entspannten und anstrengenden Sonntag auf dem Land. Ich hoffe du hattest auch einen schönen Sonntag!
Liebe Grüße,
~Anne
Hi Anne, zum Thema Stadt gab es gerade im GLS-Bank-Blog einige interessante Links (http://blog.gls.de/allgemein/der-wirtschaftsteil-154/ ). Ist schon interessant mal zu überlegen was passieren würde, wenn Parkplätze und Straßen in der Stadt einfach bebaut werden oder ein komplettes Verbot von Neubauten ausgesprochen würde.
Ich bin froh in der Stadt zu leben, wenn sie nicht zu groß ist und grüne Fleckchen hat. In Nürnberg komme ich ohne Auto viel einfacher an gute Dinge (solidarische Landwirtschaft, Märkte mit Bio-Angebot und Bioläden, vegane Restaurants). In meiner Heimat in Ostwestfalen sind es beispielsweise 12 km bis zum nächsten Bioladen. Aber das muss ja nicht so bleiben. Ich denke beide Lebensmodelle bieten noch viel Luft nach oben!
Liebe Grüße und gutes cradletocradlen,
Michael.
Lieber Michael,
Danke für deinen Link, der viele weitere interessante Links enthält 😉
Du hast recht dass es in manchen Städten einfacher ist als in anderen. In Rostock bei meinen Schwiegereltern ist es richtig schwer über Läden oder Marktstände an gute Biolebensmittel zu kommen. Dafür bauen die meisten Leute hier viel Obst und Gemüse selbst in ihren Gärten an, weshalb der Bedarf nach Bioläden vielleicht auch einfach nicht so groß ist.
Ja, Luft nach oben gibt es viel und überall und ich finde es toll wie ihr mit dem Bluepingu e.V. die Region positiv verändert!
Wir freuen uns darauf als Regionalgruppe Nürnberg des Cradle to Cradle e.V. auf weitere spannende Projekte mit euch! Wer die beiden Vereine noch nicht kennt, unbedingt auschecken!
Liebe Grüße,
Anne
Wohne kleiner und zahle mehr. Die kleinen Wohnungen stehen hier leider in keinem Preisverhältnis. Ich würde gerne auf 20 qm verzichten und auf 30 leben.
Hi Tanja,
Ich finde es toll dass du so wenig Platz für dich beanspruchst! Schade dass es dir dabei so schwer gemacht wird.
Liebe Grüße,
~Anne